Neue Regeln zum Umgang mit Asbest

Allgegenwärtige Gesundheitsgefahr fordert alle Betriebe des Ausbaugewerbes heraus

Obwohl Asbest seit 1993 in Deutschland verboten ist, können Hausbesitzer und Handwerker in älteren Gebäuden immer noch auf asbesthaltige Produkte stoßen. Vielen am Bau Beteiligten ist zwar bekannt, dass Asbest in Dach- und Fassadenplatten oder Brandschutzisolierungen verwendet wurde. Weniger bekannt ist dagegen, dass Asbest ebenso in Putzen, Spachtelmassen, Fliesenklebern (PSF-Produkte) und bauchemischen Produkten verbaut wurde. Deswegen steht die gesamte Ausbaubranche vor einer großen Herausforderung.

Mit dem Bekanntwerden „neuer“ Fundstellen asbesthaltiger Materialien wurde deutlich, dass für deren Umgang in den einschlägigen Regelwerken keine hinreichenden Angaben enthalten sind. Von der Neufassung der Technischen Regel für Gefahrstoffe „Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten“ (TRGS 519) im Herbst 2019 sind nahezu alle Unternehmen des Ausbaugewerbes – Tischler/Schreiner, Glaser, Metallbauer, Elektriker oder SHK-Betriebe gleichermaßen – betroffen. Die Branchen werden sich künftig viel intensiver mit den bislang wenig beachteten Asbest-Altlasten und den vom Gesetzgeber auferlegten Pflichten auseinandersetzen müssen. Der verfahrenstechnische und der administrative Aufwand sowie die Schulungsanforderungen werden für die meisten Betriebe erheblich steigen.

Seit 2015 ist bekannt, dass Asbest auch in Putzen, Spachtelmassen, Fliesenklebern, Fensterkitt und ähnlichen Produkten verarbeitet wurde. Asbest ist hier zwar nur in relativ geringen Anteilen enthalten, aber bei jeder abrasiven (abtragenden) Bearbeitung wie Schleifen, Fräsen, Stemmen oder Bohren muss mit der Freisetzung hoher Konzentrationen von Asbestfasern in die Raumluft gerechnet werden.
Diese unsichtbare Gefahr lauert potentiell in jedem Gebäude, das vor dem 31. Oktober 1993 errichtet wurde. Auf den gesamten Gebäudebestand in Deutschland bezogen sind das fast 85 Prozent. Allerdings gehen begründete Schätzungen davon aus, dass rund ein Viertel der älteren Gebäude von vor 1993 tatsächlich betroffen ist. Die Ungewissheit einer möglichen Asbestbelastung lässt sich im Fall der PSF-Materialien in aller Regel nur durch eine Erkundung beheben.

Auf nationaler Ebene bildet die aktuelle Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) die rechtliche Grundlage. Sie untersagt grundsätzlich die Herstellung und Verwendung von Asbest und das Arbeiten an und mit Asbest. Ausgenommen von diesem Verbot sind nur sogenannte "ASI"-Arbeiten, die dem Abbruch, der Sanierung oder der Instandhaltung dienen. Wer solche ASI-Arbeiten ausführen will, muss die detaillierten Vorgaben der Technischen Regel Gefahrstoffe TRGS 519 „Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten“ erfüllen und einhalten. Das betrifft insbesondere die Qualifikationsanforderungen sowie die technischen, organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen.

Vor dem Beginn von Bau-/Ausbaumaßnahmen müssen Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung Informationen vom Auftraggeber darüber einholen, ob entsprechend der Nutzungs- oder Baugeschichte des Objekts Gefahrstoffe, insbesondere Asbest, vorhanden oder zu erwarten sind. Mit der in Kürze anstehenden Novellierung der Gefahrstoffverordnung wird der Veranlasser stärker in die Verantwortung gezogen und ihm eine Erkundungspflicht zugewiesen.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat dazu bereits im April 2020 eine Leitlinie für die Asbesterkundung zur Vorbereitung von Arbeiten an und in älteren Gebäuden veröffentlicht. Danach kann der Nachweis, dass keine asbesthaltigen PSF-Materialien vorhanden sind, erbracht werden durch:

  • Beprobung und Analyse der Materialien durch eine akkreditierten Messtelle oder
  • schriftlich belegbare Bestätigung des Auftraggebers/Veranlassers.

Auf Basis dieser Erkenntnisse werden die erforderlichen Schutzmaßnahmen festgelegt.

Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten mit Asbest (sog. ASI-Arbeiten) dürfen ausnahmslos nur von Fachbetrieben durchgeführt werden, deren personelle und sicherheitstechnische Ausstattung für diese Tätigkeiten geeignet ist und diese gegenüber der staatlichen Aufischtsbehörde angezeigt haben. Erfüllt werden müssen insbesondere Qualifikationsanforderungen auf allen Hierarchieebenen des Unternehmens.
Benötigt werden sachkundige Personen, die verantwortlich für die Planung von Asbestarbeiten und deren Anzeige gegenüber den Behörden sind sowie die Tätigkeiten vor Ort beaufsichtigen. Für Tätigkeiten an asbesthaltigen PSF-Materialien ist mindestens eine Sachkunde nach Anlage 4C der TRGS 519 nachzuweisen („kleiner Asbestschein“). Beschäftigte sind regelmäßig zu unterweisen und müssen so geschult sein, dass sie ASI-Arbeiten sachgerecht und sicher durchführen können.

Die Sachkunde gemäß TRGS 519 Anlage 4C („kleiner Asbestschein“) erwirbt man in einem mindestens zweitägigen Lehrgang bei einem durch die staatlichen Aufsichtsbehörden akkreditierten Schulungsanbieter. In dem Lehrgang wird das erforderliche Fachwissen über fest gebundene Asbestprodukte, zu Tätigkeiten mit geringer Exposition, zu ASI-Arbeiten geringen Umfangs an schwach gebundenen Asbestprodukten sowie zu emissionsarmen Verfahren vermittelt. Der Lehrgang schließt mit einer schriftlichen, einstündigen Sachkundeprüfung durch die Aufsichtsbehörde ab. Die Bescheinigung nach erfolgreichem Abschluss ist gültig für den Zeitraum von sechs Jahren und verlängert sich durch Teilnahme an entsprechenden Weiterbildungen.
Anbieter von Sachkunde-Schulungen sind unter anderem private Bildungsträger, Handwerkskammern und Branchen-Fachverbände und deren Bildungseinrichtungen. Letztere haben den besonderen Vorteil, dass sie nicht nur preisgünstig sind, sondern sich inhaltlich auf die speziellen gewerkspezifischen Fragen fokussieren.

Emissionsarme Verfahren umfassen Tätigkeiten mit geringer Exposition, die behördlich oder von Berufsgenossenschaften geprüft und anerkannt sind. Sie erlauben, von den sehr strengen Regelungen beim Umgang mit Asbest (Erleichterungen bei den Schutzmaßnahmen) abzuweichen.
Einem emissionsarmen Verfahren liegt ein standardisiertes Arbeitsverfahren zu Grunde, für das zur Anerkennung die sichere Unterschreitung der sogenannten Akzeptanzkonzentration von Asbest (< 10.000 Fasern/m³) messtechnisch nachgewiesen wurde. In der Regel handelt es sich um Bautechnische (BT-)Verfahren, die von jedem eingesetzt werden können, der die dafür notwendige Qualifikation (mindestens „kleiner Asbestschein“ gemäß TRGS 519 Anlage 4C) und das technische Equipment – wie in den BT-Verfahren beschrieben – besitzt.

Wegen des Gefahrenpotentials ist für die betroffenen Beschäftigten die Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge wegen Umgangs mit Asbest (Pflichtvorsorge) erforderlich. Müssen die Beschäftigten Atemschutzgeräte der Gruppen 2 und 3 tragen ist Pflichtvorsorge hierfür mit der wegen Asbest zu kombinieren.
Die Pflichtvorsorge ist vor Tätigkeitsaufnahme und danach in regelmäßigen Abständen durchzuführen. Der Arbeitgeber darf eine Tätigkeit erst ausüben lassen, wenn der Beschäftigte die Pflichtvorsorge wahrgenommen hat. Die Vorsorge besteht vorrangig aus einem Beratungsgespräch und wird je nach Indikation durch eine körperliche oder klinische Untersuchung ergänzt. Der Arbeitgeber muss über die durchgeführte arbeitsmedizinische Vorsorge eine Vorsorgekartei führen.
Nach Beendigung der Tätigkeit mit Exposition gegenüber Asbest hat der Arbeitgeber betroffenen Beschäftigten in regelmäßigen Abständen nachgehende Vorsorge anzubieten (Angebotsvorsorge). Diese Pflicht kann der Arbeitgeber auf die zuständige BG übertragen, sofern der Beschäftigte einverstanden ist.

Ein Verstoß gegen die Anforderungen der Gefahrstoffverordnung zu Asbest ist je nach Tatbestand eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat. Die Sanktionen reichen daher von Bußgeldern bis Freiheitsstrafen. Werden Arbeiten an asbesthaltigen Materialien ohne die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt, können Aufsichtspersonen der Berufsgenossenschaften oder der Arbeitsschutzbehörden bei Kontrollen die Tätigkeiten sofort einstellen lassen.

Weiterführende Informationen

Branchenlösung Asbest beim Bauen im Bestand

Die gemeinsam von den Berufsgenossenschaften und den betroffenen Branchen-Fachverbänden herausgegebene Handlungshilfe bietet einen Einstieg ins Thema. Sie erläutert, wie Arbeiten an den potenziell asbesthaltigen Putzen, Spachtelmassen und Fliesenklebern sicher ausgeführt werden können. Die Handlungshilfe berücksichtigt dabei bereits die geplanten Änderungen zu den Asbestregelungen in der Gefahrstoffverordnung.

> Branchenlösung Asbest beim Bauen im Bestand (PDF)

Podcast zum Thema Asbest

Empfehlenswert ist auch die Folge 12 des Podcasts "Lauschwerkstatt" vom Fachverband Tischler NRW. Dort wird die aktuelle Asbest-Problematik ausführlich erörtert - exemplarisch für das Tischler- und Schreinerhandwerk, aber für alle Ausbaugewerke gleichermaßen interessant.
Zu hören ist die Lauschwerkstatt auf der Verbands-Website, bei Spotify, bei Deezer, bei Apple Podcast, bei Google Podcast, bei Amazon Music und bei Podimo. Hören Sie mal rein!

Leitlinie für die Asbesterkundung zur Vorbereitung von Arbeiten in und an älteren Gebäuden

Die Leitlinie richtet sich an alle, die Baumaßnahmen planen bzw. durchführen und mit einer Erkundung von Asbest in Gebäuden konfrontiert werden. Sie soll in erster Linie private Hausbesitzer, Heimwerker und Nutzer ("Laien"), die meist in direkter Absprache ihre Bauaufträge an Handwerksbetriebe oder Bauunternehmen vergeben, eine Entscheidungshilfe geben. Wertvolle Hinweise und Orientierungshilfen können aber auch kleine Handwerksbetriebe in dieser Leitlinie finden. Mit der Asbesterkundung beauftragten Sachverständigen liefert die Leitlinie Hilfestellung, wie bei der Erkundung und Sanierung vorzugehen ist.

> Leitlinie für die Asbesterkundung zur Vorbereitung von Arbeiten in und an älteren Gebäuden (PDF)